Kritik zu „Good American Family“: Die unerwartete Langeweile des Hulu-Dramas „Natalia Grace“ mit Ellen Pompeo

Kritik zu „Good American Family“: Die unerwartete Langeweile des Hulu-Dramas „Natalia Grace“ mit Ellen Pompeo

Das Geschäft mit wahren Verbrechen: Analyse von „Good American Family“

Die Attraktivität von True-Crime-Miniserien beruht oft auf ihren aufsehenerregenden Themen – Betrügern und Serienmördern –, die dem Publikum bereits bekannt sind. Ihre Popularität in der heutigen Medienlandschaft führt oft zu aufwendigen Adaptionen mit Aussicht auf Auszeichnungen wie die Emmys. Branchenmanager könnten an dieser Stelle behaupten, der Verzicht auf solche Projekte würde sowohl finanzielle Gewinne als auch Kritikerlob einbüßen.

Die kreative Herausforderung

Während die finanziellen Gründe überzeugend sind, ist die kreative Motivation hinter diesen Adaptionen oft weniger transparent. Versuche, reale Ereignisse neu zu interpretieren oder zu fiktionalisieren, enden häufig in Erzählungen, die bekannte Fakten wiederholen, anstatt neue Perspektiven auf bereits bekannte Geschichten zu eröffnen. Trotz des Potenzials für eine andere Herangehensweise an Natalia Graces Geschichte – eine, die wenig erforschte Facetten ihres Falls beleuchten könnte – greift Hulus „Good American Family“ letztendlich zu kurz.

Eine edle Absicht, aber eine fehlerhafte Ausführung

Zu ihrer Verteidigung muss man sagen, dass die Serie eine von Fehlinformationen geprägte Erzählung aufklären will. Wie Detective Brandon (gespielt von Dulé Hill) Natalia sagt: „Wenn man eine Geschichte gut genug erzählt, spielt die Wahrheit nicht immer eine Rolle.“ Die von Michael und Kristine Barnett (dargestellt von Mark Duplass und Ellen Pompeo) erdachte Geschichte wirkt durchaus fesselnd und legt nahe, dass ihre Adoptivtochter kein kleines Kind mit Kleinwuchs war, sondern ein Erwachsener, der sie aus unbekannten Gründen täuschte.

Tatsächlich war Natalia Grace (Imogen Faith Reid in der Serie) jedoch das Kind, das in ihren offiziellen Dokumenten abgebildet war. Die Barnetts hatten sie auf 22 Jahre „verjüngt“ und sie allein in einer Wohnung zurückgelassen – eine erschreckende Tatsache, die an den Horror des echten Lebens erinnert. Die Erzählung folgte diesem bizarren Faden und führte zu Medienspekulationen und sensationellen Schlagzeilen, wie zum Beispiel einer von People, die fragte, ob sie ein „Opfer oder Bösewicht?“ sei.

Empathie für eine missverstandene Figur fördern

Die Serie porträtiert die junge Natalia in ihren schwierigsten Zeiten und möchte Mitgefühl statt Spott wecken. Die Macher vermeiden es, die Vorwürfe der Barnetts zu dramatisieren und ermöglichen den Zuschauern stattdessen, sich in das Mädchen hineinzuversetzen, das oft nur als Pointe dargestellt wird. Ziel scheint es, Trauer gegenüber Natalia und Wut gegenüber denen zu wecken, die ihr Unrecht angetan haben.

Tempo und erzählerische Tiefe

Die Serie leidet jedoch unter Tempoproblemen, insbesondere in der ersten Hälfte, die unproduktiv bei den von den Barnetts geschilderten Ereignissen verweilt. Zwar sind die Motive und Charakterstudien von Michael und Kristine klar, aber es fehlt ihnen an Tiefe. Duplass‘ Darstellung von Michael wirkt wie eine passive, aber liebenswerte Figur, während Pompeos Kristine als äußerst ehrgeizige Mutter erscheint, die ihre Vergangenheit nutzt, um ihr Image aufzupolieren. Die Charakterbögen wirken stagnierend und intensivieren sich eher, als dass sie sich weiterentwickeln.

Unklarheiten und Ineffektivität

Was die gegen Natalia konstruierte Anklage betrifft, so ist sie wenig glaubwürdig. Beispiele wie ihr Messerschwingen in hitzigen Momenten können als Drohung oder einfach als kindische Impulsivität interpretiert werden. Auch der Vorfall mit dem Stofftier könnte auf Bosheit hindeuten oder lediglich ein Zeichen für ein übereifriges Spiel sein. Dieses Gefühl der Ungewissheit wirft die Frage nach der Komplexität der Wahrheit auf, doch die übertriebene Darstellung verwässert die emotionale Wirkung und führt zu einem Mangel an fesselnder Spannung.

Konfrontation mit erschütternden Realitäten

Die Serie konzentriert sich schließlich auf Natalias Perspektive, die mit dem Verlassenwerden kämpft und rechtliche Schritte gegen die Barnetts einleitet. Selbst wenn die Zuschauer den tragischen Ausgang kennen, ist es herzzerreißend, ihren Kampf mitzuerleben. Natalia, dargestellt von Reid, ist nicht in der Lage, grundlegende Dinge wie das Einschalten der Dusche oder die Bedienung von Küchengeräten zu bewältigen, was ihre tiefe Verletzlichkeit offenbart. Ihr verzweifeltes Bedürfnis nach Elternfiguren tritt in den Vordergrund und verdeutlicht sowohl ihre Realität als auch den Druck, sich der von Kristine entworfenen Rolle anzupassen.

Leistung und ethische Dilemmata

Reid liefert eine kraftvolle Darstellung, die mehrere Altersgruppen umfasst und eine breite Palette von Emotionen authentisch darstellt. Trotz ihres Alters fängt sie die Unschuld und das Trauma eines Mädchens ein, das ungerechterweise in einen Medienzirkus hineingestoßen wurde. Dies wirft ethische Fragen auf, die dem Genre innewohnen: Welchen Wert hat es für die Zuschauer, das Leid eines anderen nachzuspielen? Das Spektakel löst oft mehr Unbehagen als Erkenntnisse aus.

Das Rätsel der True-Crime-Adaptionen

True-Crime-Verfilmungen behandeln von Natur aus schmerzhafte Realitäten. Manche Serien, wie Netflix‘ „Dahmer – Monster: The Jeffrey Dahmer Story“, konzentrieren sich auf Sensationslust, während andere, wie Hulus „The Girl from Plainville“, tiefere psychologische oder institutionelle Themen behandeln.

„Good American Family“ versucht, Gerechtigkeit für jemanden zu schaffen, der zu Unrecht unter Beobachtung steht, und verbindet dabei Elemente von Spektakel und psychologischer Erkundung. Doch ohne Zeit, kreatives Flair oder eine übergreifende Botschaft ist die Serie kaum mehr als eine Aufbereitung bekannter Fakten, die sich über acht mühsame Stunden erstreckt und den riesigen Kanon an True-Crime-Inhalten lediglich erweitert.

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